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Die Umwelt ist voller Eindrücke und Erlebnisse. Das Gehirn wäre völlig überfordert damit. Geschickt blendet es viele Signale einfach aus, welche pausenlos von den Sinnesorganen weitergeleitet werden.

Autisten in der sensorischen Lawine

Bei Autisten bleibt die Aufmerksamkeit viel stärker auf den Details. Das schärft den Blick für viele besondere Blickwinkel. Hinderlich jedoch ist es für intuitives Verhalten, welches bei neurotypischen Menschen erfolgreich den Alltag steuert. Besonders schwer für Autisten sind Kommunikation und soziale Interaktion, wo zusätzlich die non-verbale Information nicht oder nur begrenzt wahrgenommen wird.

Die ultimative autistische Antwort: Planung.

Autistische Personen können gut mit Eindrücken umgehen, die sich in Muster einordnen lassen. Dementsprechend attraktiv ist ein Plan. Das Ziel - oder zumindest die Hoffnung - ist hierbei, eine Alltagssituation durch Struktur beherrschbarer zu machen. Diese für Autisten typische Herangehensweise wird auch als „Scripting“ bezeichnet.

Scripting meint eine ganze Reihe von kleinen Methoden: Filmzitate, Bewegungen, Frage-Antwort-Muster. Allen gemeinsam ist, dass Sätze und Verhaltensweisen vorbereitet werden. In bestimmten Situationen kann die autistische Person schnell auf die Elemente zurückgreifen. Das gibt Sicherheit und senkt die innere Anspannung. (Ein wenig.😏)

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Scripting ist ein Versuch, Gefühle und Inhalte auszudrücken. Das Verhalten kann unangemessen wirken. Das ist missverständlich. Es ist dennoch ein Kompromiss, um eine drohende Blockade zu bewältigen. Echtes Scripting ist nicht einfach nur Spaß.

Scripting oder Echolalia?

Scripting wird auch als „verzögertes Echolalia“ bezeichnet. Eigentlich meint Echolalia die unmittelbare Wiederholung von Sätzen und Fragen. Scripting ist insofern ähnlich, dass Vorbereitetes wieder abgerufen wird. Nur eben später.

Ich nutze übrigens gerne Filmzitate, Fremdsprachen, veraltete Wörter. Aber dazu mache ich bei Gelegenheit einen eigenen Beitrag. 😁

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Autismus erlebt jede betroffene Person individuell. Es gibt vermutlich kein Merkmal, das für alle Betroffenen gleich gültig ist. Einige Hintergründe und meine persönlichen Erfahrungen können Dir helfen, eine Sichtweise auf Autismus kennenzulernen. Danke für Dein Interesse! 😁

Ich scripte - was hilft, ist gut

Scripting ist völlig OK. Selbst in beruflichen Coachings werden Scripts verwendet. Was sind also kleine praktische Scriptings?

Telefonanrufe mit Fremden zum Beispiel bereite ich vor. Zur Not schriftlich:

  • Eingangssatz
  • wichtigstes Gesprächsziel
  • minimales Gesprächsziel

Ähnlich können persönliche Gespräche geplant werden. Es würde jetzt zu detailliert, alle möglichen Sätze aufzuschreiben. Und die Praxis läuft immer anders als gedacht. So funktioniert es nicht.

Grundsätzlich sind allgemeine Orientierungen besser. Zu diesen oder ähnlichen Wegmarken kannst Du immer wieder zurückkehren:

  • Einstieg zum Beispiel mit einer Info-Frage. Worüber würdest gerne etwas erfahren (Uhrzeit, Situation, persönliche Gegenstände)?
  • Antwort abwarten
  • Pausen aushalten können
  • falls Du ein Detail nicht verstanden hast, gerne mal nachfragen (zum Einstieg: wirklich nur einmal fragen)
  • Am Ende: Dank
    (Für das Interesse, für die Zeit. Ich finde das sehr wichtig.)
  • Verabschiedung

Auch für andere Abläufe und soziale Ereignisse habe ich bestimmte Abläufe. Bei Gesprächen zähle ich oft mit, nach wie vielen Sätze ich bei Lieblingstemen aufhören sollte. Wie lange man Personen ansehen sollte. Wie lange Pausen sein dürfen.

Noch Hobby oder schon Spezialinteresse?
Im Autismusspektrum sind Spezialinteressen ganz typisch. Jeder hat seine Hobbies, oder? Doch für autistische Menschen geht es um mehr.

Auch hier: Üben hilft

Ansonsten beobachte ich sehr viel. Der Blick für Details kann hier sogar helfen. Durch aktives Beobachten ist - mit etwas Übung - gut erkennbar, wie sich eine Person vermutlich gerade fühlt. Empathie kann man lernen! Einziger Haken: Ich muss mich aktiv konzentrieren. Bei Gruppen aus mehreren Personen klappt aktives Beobachten nur noch eingeschränkt.

Was mir übrigens seltsam vorkommt: Scripting wird oft als etwas Ungewöhnliches beschrieben. Für mich ist es die einzige Möglichkeit, mit neurotypischen Menschen unfallfrei zu kommunizieren. Ich dachte, dass macht jeder so.

Scriptest Du auch manchmal?

Aktuell habe ich allerdings den Eindruck, dass die große Mehrheit der Gesellschaft eher intuitiv durchs Leben geht. Das ist absolut OK.

Und dennoch greifen nicht wenige Menschen auf Scripts zurück. Es fällt ihnen bestimmt nicht auf. Die eigene Wahrnehmung ist gewohnt und damit „normal“.

Wie ist Dein Eindruck? Gibt es Situationen, in denen Du gerne bestimmte Sätze oder Reaktionen nutzt?

Schreib mir Deine Erfahrungen in die Kommentare!

Alles Gute,
Nils

Was war nochmal dieses Scripting? Springe nochmal schnell zurück zum Anfang.